Immer mehr Hundebesitzer machen sich mit Recht Gedanken darüber: Wieviel Beschäftigung braucht mein Hund, um glücklich und ausgeglichen zu sein?
Während der Trend vor ein paar Jahren deutlich in Richtung „Viel hilft viel“ ging, heißt es nun zunehmend: „Achtung Überbeschäftigung!“ Welches Maß und welche Aktivität sind also für meinen speziellen Vierbeiner „richtig“ und passend?
Hunde sind so verschieden und individuell wie wir Menschen und jedes Individuum hat ihre besonderen Bedürfnisse. Jede Altersgruppe ebenfalls.
Ein Hütehund kann hüten, muss es aber nicht.
Ein Apportierhund kann apportieren, muss es aber nicht.
Ein Schlittenhund kann Schlitten ziehen, muss es aber nicht.
Genauso wenig wie sog.“Kampfhunde“ zwar kämpfen können, es hoffentlich aber nicht müssen.
Ein Galopprennpferd kann Galopprennen gehen, muss es aber nicht. Ein Springpferd kann springen, muss es aber nicht. Verstehst Du worauf ich hinaus will? Wir haben Hunderassen gezüchtet, bei denen gewisse Fähigkeiten (vor allem jagen, hüten und wachen) gewünscht sind. Letztendlich sind Hunde Raubtiere, die täglich ca. 20 Stunden Schlaf bzw. Ruhe brauchen und für die jede Form von Stress kontraproduktiv ist.
Würden alle Hunderassen auf der Straße leben, würde man keinen Unterschied bemerken. Alle würden sich so wenig wie möglich bewegen, was typisch für Raubtiere ist, und in den paar Stunden des Wachseins würden sie die Straßen durchstreifen, auf der Suche nach Essbarem, schnüffeln, markieren, und bei Sympathie ein wenig miteinander spielen.
Kein Border Collie würde etwas zum Hüten suchen oder über Hindernisse springen, die man auch umgehen kann, der Schlittenhund aufgekratzt sein, weil er keine Menschen ziehen darf, der sogenannte „Kampfhund“ nur darauf lauern, wen er als nächstes töten könnte oder der Windhund im Ausdauersport-Modus sein Leben in Zeitraffer verbringen. Hunde sind Energiesparer. Kaum ein Tier rennt länger als ein paar Minuten, außer es ist auf der Flucht.
Den Drang nach Auslasten haben einzig und alleine wir Menschen, die wir in diesem System leben, in dem Fleiß und Strebsamkeit wünschenswerte Tugenden sind. Und in dem faul zu sein als etwas Negatives gilt.
Überforderung
Hektische und hibbelige Hunde – das sog. ADHS Syndrom – hat die meisten Ursachen in Überforderung, gut gemeinter Auslastung, Hundesport, Ballwerfen oder am Fahrrad mitlaufen (in Österreich verboten).
Je mehr der Hund „ausgepowert“ wird, desto mehr Adrenalin produziert sein Körper. Und das macht süchtig. Es wirkt wie Kokain oder Ecstasy beim Menschen. Man will mehr, weil man deutlich über seine eigenen körperlichen Grenzen gehen kann. Hunde die keinen hundegerechten Schlaf bekommen, reagieren gereizt, aggressiv, übersensibel, unkonzentriert und gestresst. Depressionen und Burn Out sind die Folgen.
Mein Tipp für Dich: Entschleunigen, Tempo runterfahren. Gemeinsam auf einer Decke in der Wiese entspannen und bummeln, den Hund schnüffeln lassen und bitte ohne rucken und weiterziehen, während man selber am Handy hängt. Der Spaziergang gehört dem Hund und nicht Dir. Stimmungsübertragung steckt an, deshalb heißt es auch Stimmungsübertragung. Der Hund kann im möglichen Rahmen entscheiden wie lange und wohin er gehen möchte. Bemerkt ein Hund, dass er hier Entscheidungsfreiheiten hat, wird er Dir zeigen, wann es genug ist. Brummt man dem Hund ständig alles auf, stellt er rasch seine Kommunikation ein!
Wachen und schnüffeln sind die einzigen artspezifischen „Beschäftigungen“, die Dein Hund freiwillig wählt.
Und bitte kein schlechtes Gewissen! Du wirst erstaunt sein, wieviel kürzer die Galopp-Phasen sind, wenn Dein Hund nicht zum rennen oder springen animiert wird. Kein Hund geht wirklich freiwillig auf den Agility-Parcour. Er macht es weil Du der einzige soziale Bezugspartner Deines Hundes bist und nicht selten wegen Deiner Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Fazit: Probier es einmal mit Gemütlichkeit!